Himmelfahrt

Predigt am 5. Mai 2016 in Paulus

 

 

 

Himmelfahrt. Vatertag im Besten Sinne. Neuanfang und Suche, Erdverbunden und Himmelwärts zu gleich. Hören wir rein:

 

 

 

I)                    Himmelfahrt vor 2000 Jahren erzählt

 

 

 

Jesus ist aufgefahren und angekommen.

Er hat den Auftrag an die Apostel nochmal bekräftigt.

Hat sich nach Ostern, als sie so unsicher waren,

nochmal sehen lassen.

 

Nun sind sie dran.

Jesus ist überzeugt, dass sie bezeugen, also erzählen können,

was geschehen ist.

Er vertraut ihnen - trotz allem.

Und hofft, dass sie zugehört haben und warten werden –

auf den Heiligen Geist.

 

Der ihrem Auftrag Kraft verleiht -

Ihnen Vertrauen gibt, neue Wege zu gehen.

 

Jesus, oder besser Christus, ist aufgehoben worden, in den Himmel. Er ist wieder zu Hause, sitzt zur rechten Gottes  -

 

Nach jüdischer Tradition ein Ehrenplatz,

aber vielleicht etwas langweilig nach der intensiven Zeit auf der Erde?

Aufgehoben, erhöht, dass alle Welt seinen Namen kenne.

 

 

 

II)                  Himmelfahrt, heute gehört.

 

Wörtlich, so die Engel in der Apostelgeschichte, sollen wir die Himmelfahrt Jesus nehmen.

 

Mir gelingt das nicht.

Die Wolke als Fahrstuhl,

der Himmel als Ort über den Wolken passt nicht zu meinem Weltbild.

 

Annähern will ich mich:

Über den Horizont schauen.

Der Himmel als ferner Sehnsuchtsort,

als Ort, an dem es weiter geht, hier und da zugleich.

 

Die Wolke - verhüllend, aufnehmend, bergend.

Unwirklich, wie im Nebel auch auf kürzeste Distanz nichts mehr erkennbar ist, verschwindet Jesus in der Wolke,

wird aufgehoben in den Himmel.

 

Unglaublich kraftvoll klingt das „Aufheben“.

Genauer betrachtet wird Jesus aufgehoben, im besten Sinn,

ja sogar im mehrfachen Sinn:

 

Aufgehoben. Negiert. Nicht länger gültig.

So wie Plus und Minus sich aufheben können, beendet Jesus das Sterben. Nimmt dem Tod die Macht und setzt das ewige Leben dagegen. „Ich lebe und ihr sollt auch leben“, sagt er. Mit dieser zweitausend Jahre alten Botschaft vom Sieg des Lebens über den Tod will er uns Halt schenken. Leben!

Der Vorzeichenwechsel als Kraftquelle – gestern, heute und morgen.

 

 

Aufgehoben.

Erinnerungen  bleiben, werden aufgehoben, verschriftlicht.

Jesus Zeit auf Erden war nicht umsonst.

Er ist nicht weg, sondern in den Erzählungen der Menschen gut, ja liebevoll aufgehoben.

Die zukunftsweisenden Seiten aus Jesu Leben werden aufbewahrt, konserviert in den Zeugnissen.

 

Sie wirken fort,

wir holen sie heraus,

entstauben sie.

 

Worte werden zu Begegnungen -  mitten im Leben.

 

„Er selbst kommt uns entgegen, die Zukunft ist sein Land.“

 

 

 

Aufgehoben. Jesus selbst wird erhöht, aufgehoben.

 

Er erlangt eine andere, neue, ja höhere, Stufe,

wird wieder mehr Gott als Mensch.

Kyrios, wie es heißt.

Kehrt zurück zum Vater.

 

All diese Facetten des Aufgehoben- seins, des geheimnisvoll angenommenen, geborgenem spiegeln sich für mich in der Wolke:

flüchtig. eingehüllt. getragen.

 

Himmelwärts schauen die Jünger.

Erdverbunden bleibt Jesus.

 

Die Wolke ist das verbindende Element,

überbrückt die Distanz zum Himmel.

 

Und: für einen Moment ist der Weg frei.

Die Türen stehen offen.

 

Jesus geht vor, damit wir etwas abkriegen, vom Glanz. Damit wir seine und Gottes Herrlichkeit erfahren können.

 

Und mit diesem Brückenschlag,

Jesu Türöffnen,

fangen wir an zu begreifen,

was wohl gemeint sein könnte mit:

 

„Ich geh schon mal vor, zum Vater.“

 

UND da steckt noch mehr drin: Verheißung.

Jesus nimmt uns mit.

Kirchenlieder greifen es über Generationen auf.

Im Schlepptau Jesu sollen wir auffahren in den Himmel,

weit hinter das tiefe Blau und die Wolken, zu dem Ort, an dem die Seele still und froh zu gleich wird.

 

Er geht schon mal vor, damit wir nachkommen können.

Er hält uns einen Platz frei, erteilt die Einreiseerlaubnis, ja, reißt die Grenze zwischen Himmel und Erde ein.

 

 

III)                Himmelfahrt. Versteht das wer?

 

-1988, Michael Gorbatschow bei Kohl in Köln auf Staatsbesuch.
"Morgen arbeiten die Deutschen nicht“, erklärt Kohl, „ wir feiern Christi Himmelfahrt."

Was der russische Dolmetscher folgendermaßen übersetzte:
"Morgen arbeiten die Deutschen nicht, denn sie feiern den Tag der Luftwaffe.

 

 

Christi Himmelfahrt - Tag der Luftwaffe.

Welten dazwischen.

Für jeden passend zur Welt in der er oder sie aufgewachsen ist.

Für die einen ist der Himmel ein zu erobernder Raum, Spielplatz für Wettläufe und Gesten der Macht. Primär verbunden mit Astronauten oder Planeten, Raketen und Flugzeuge.

 

Für die anderen geht er weit darüber hinaus.

Wir erhoffen, erahnen: den göttliche Himmel –

 fern und mitten unter uns.

Später und jetzt und alles auf einmal.

Himmel, im besten Sinne also.

 

Das Transzendente, über sich selbst hinausweisende, immer mit meinend. Eine Ahnung vom Anderen:

 

Im Himmel geht es weiter – das Beste kommt noch.

 

Verkehrte Welt für Selbstoptimierung und Machtgesten.

“there’ll be no more, tears in heaven.” singt Eric Clapton.

Die Tränen werden abgewischt, heißt es bei Jesaja.

Ein Freudenfest folgt.

 Heute aber reichen Sehnsucht und Suche –

himmelwärts und erdverbunden zugleich.

 

 

IV)                 Himmelfahrt:  Vatertag

 

Ja, Vatertag im wahrsten Sinne des Wortes.

Anders als er heute oft begangen wird.

Ursprünglich ohne Bollerwagen und Bier.

Aber doch neu unterwegs.

Gemeinschaft, Zugehörigkeit. Das Leben feiern.

Darauf vertrauend, dass der Sinn sich nicht sofort erschließen muss.

Einen Weg zu finden,

das eigene Leben

himmelwärts zu denken

und erdverbunden zu bleiben.

 

Das Gefühl, einfach so dazuzugehören.

Ohne Eintritt.

Ohne Aufnahmeprüfung.

Ohne etwas leisten zu müssen.

Ohne darüber zu diskutieren, ob man nicht doch etwas anderes machen könnte. Heute, an Himmelfahrt.

 

Mit beiden Füßen auf dem Boden

einen Weg zu finden,

Lebendigkeit zu spüren.

Gemeinschaft zu feiern. Zusammenhalt.

 

Anzukommen und die Tür zum Vater nicht wieder zufallen zu lassen.

Himmelfahrt als Vatertag zu feiern, ja,

Teil eines kollektiven Rituals, einer Gemeinschaft zu sein.

Und: vielleicht doch mit Gott und Bollerwagen  unterwegs.

 


VI)               Himmelfahrt. Ganz persönlich.

 

 

Vertraut den neuen Wegen, / auf die uns Gott gesandt! / Er selbst kommt uns entgegen. / Die Zukunft ist sein Land. / Wer aufbricht, der kann hoffen / in Zeit und Ewigkeit. / Die Tore stehen offen. / Das Land ist hell und weit.

 

>Wann sind Sie zuletzt aufgebrochen?

Haben sich etwas zugemutet, ja zugetraut?

 

 Ich habe letztes Jahr einen Job angefangen, der  ein paar Parallelen zu dem der Apostel hat: Mir wurde ungefragt ein Projekt angeboten, das zu dem Zeitpunkt nicht viel mehr als eine Vision war.

Kein Budget.

Kein Projektplan.

Keine Kooperationspartner.

 

Aber wir waren zu zweit unterwegs. Wie die Apostel.

Vielleicht ein Himmelfahrtskommando.

Ein Halbjahrs-Vertrag mit der Ansage, dass es weiter geht, wenn ich Leute begeistere und rund eine Millionen an Geldern einwerbe.

 

Manche Tage wusste ich morgens nicht, was ich an dem Tag eigentlich zuerst machen soll oder wie in Gottes Namen dieses Projekt fliegen soll. Viel mehr Fragen als Antworten. Gegenwind.

 

Dann haben wir wieder Menschen davon erzählt;

versucht zu erklären, was wir wollen.

Ich hab mich parallel arbeitslos gemeldet, zur Sicherheit.

 

Wir haben alles dran gesetzt, Mitstreiterinnen und Förderer zu finden. Menschen erzählt, warum die Idee gut ist.

Und warum wir gerade sie dafür brauchen.

Und es hat funktioniert.

 

 Ein Bruder im Rauhen Haus sagt oft:

 „Der liebe Gott tut nichts als fügen.“

Und: „Es hat sich immer noch gefügt.“

 

Und so ist es. Alles hat sich gefügt.

Heiliger Geist und das Zusammenwirken vieler Menschen.

Krass, was plötzlich möglich ist, wenn Menschen sich begeistern lassen. Wenn jemand an mich glaubt.

Wunderbar, wie sich etwas verselbständigt,

wenn eine kritische Masse erreicht ist.

 

Göttlicher Rückenwind ganz konkret – egal ob auf Missionsreise, beim Kirchen gründen oder Groß-Veranstaltungen organisieren.

 

 

VII)             Himmelfahrt. Neuanfänge. Heute und vor 2000 Jahren.

 

 

 Die Bibel ist erfüllt mit der Kraft einer ‚unversöhnlichen’, mutigen Hoffnung. Mit Rückenwind Geschichten, in denen der Trotz der dreijährigen Kinder durchscheint.

Hoffnung, die sich nicht abfindet mit den Tatsachen und den „das war schon immer so s“.

Die gegen die Tatsachen an denkt und fühlt – gegen das Rechthaben und das letzte Wort der da Oben.

Gegen das Undenkbare und Unlogische, gegen die Regime, gegen die herrschende Ordnung, die Not der Einzelnen und das fehlende Geld.

 

Einfach ist das nicht mit den neuen Wegen. Im Großen wie im Kleinen. Da gibt es ganze Seminare zu in der politischen Theorie, die untersucht, warum neue Ideen so schwer umzusetzen sind und warum wir doch immer wieder auf eingetretenen Wegen landen statt uns in die Büsche zu schlagen und unser Ding zu machen.  Path dependency, „Pfadabhängigkeit“ heißt das. Gewöhnung, Bequemlichkeit, Sozialisierung.

 

 

Dennoch. Jesus erwartet von seinen Jüngern und von uns, dass wir sich auf den Weg machen. Himmelwärts denken und erdverbunden handeln sollen wir. Aufbrechen mit Gottes Hilfe.

 

Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit! / Gott will, daß ihr ein Segen / für seine Erde seid. / Der uns in frühen Zeiten / das Leben eingehaucht, / der wird uns dahin leiten, / wo er uns will und braucht.

 

 

Aufbrüche brauchen Mut.

Mut und Gottvertrauen.

Mutig ist, anzufangen ohne zu wissen wo es enden wird.

Mutig ist, morgens überhaupt aufzustehen, zu leben.

Jemanden zu küssen, von dem man nicht so genau weiß, ob er oder sie das Gleiche fühlt.

Von Sehnsüchten zu erzählen.

Dem Banknachbarn meine Tränen zuzumuten.

 

Mutig ist, an Gott zu glauben.

Nicht im Allgemeinen, sondern ganz konkret.

An das Gute in den Leuten.

Das Trotzdem.

Die Platzkarte im Himmel.

 

Amen.

 

 

 

 

Mit vielen Gedanken von Menschen aus den weiten des Internets, aus dem fb Forum des Zentrums für Predigtkultur (wenn ihr euch wieder findet, meldet euch - es ist so lange durch mich durch gegangen, dass ich keine Quellen mehr weiß). Mit Inspriation von der großartigen Susanne Niemeyer ... guckst du hier.

 

Mit mutigen Kürzungen von Franzi und so wichtigen Hinweisen von Klaus. Und mit vielen, vielen Schleifen mit Anke. Danke dir für Ermutigung und Kürzung. Geduld, Mühe und immer wieder neu zuhören und mitdenken.

 

 

 

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