Loslassen. Gedanken zum Exodus Gottesdienst am 17.3.2019

 

Es gibt Tage, da bin ich nur mit loslassen beschäftigt.

 

Langsam die zur Faust geballten Hände lockern.

 

Loslassen.

 

Die aufeinandergepressten Lippen lösen, so dass auch der Kiefer wieder entspannen kann.

 

Loslassen.

 

Ein wenig gerade werden, gen Himmel.

 

Erdung spüren.

 

Schultern fallen lassen.

 

Hände öffnen.

 

Mein Gesicht den ersten Sonnenstrahlen und dem Wind entgegenhalten.

 

Tränen laufenlassen, statt sie mit aller Macht wegzudrücken.

 

Die Traurigkeit zulassen.

 

Die Ohnmacht spüren.

 

Mich so sein lassen.

 

Sein dürfen.

 

 

 

Es gibt Tage, da bin ich nur mit loslassen beschäftigt.

 

Mit meinem Los und meinem Lassen.

 

Mit denen, die gingen und denen die blieben.

 

Mit Gott, Menschen und Kindern.

 

Menschenkindern.

 

Gotteskindern.

 

Mit Lücken und Gräbern,

 

genauer: fehlenden Gräbern.

 

Beschäftigt mit Gedenken, Andenken, Umdenken.

 

 

 

Es gibt Tage, da bin ich nur mit loslassen beschäftigt.

 

Träume, zu große und zu kleine.

 

Kaum greifbar

 

Unsagbar.

 

Zukunftsentwürfe. Ideen, vom Glücklichsein.

 

 

 

Es gibt Tage, da bin ich nur mit loslassen beschäftigt.

 

Abschied nehmen.

 

Zulassen, dass es zu Ende ist.

 

Loslassen und die Antwort schon längst wissen.

 

Und wissen, dass sie bestimmt, ganz sicher, wie sollte es auch anders sein: geborgen sind.

 

Nachtrauern.

 

Ja, heute nochmal nach trauern, weil ich es vor lauter funktionieren vergessen hatte.

 

Nachtrauern und nachspüren.

 

Schön wäre es gewesen.

 

Schön warst du; ihr alle.

 

Nochmal trauern und spüren:

 

Das Gefühl passt.

 

Die Gnade reicht.

 

Bis unter die Erde, bis in Klinikmüll und Massengräber.

 

Die Gnade reicht.

 

Reicht zum Loslassen und mich fallen lassen.

 

Fallen und spüren.

 

Fallen in Worte und Zeichen.

 

Loslassen und neu spüren.

 

Segen und aufgelegte Hände.

 

Sowas wie Versöhnung.

 

 

 

Manche Tage bin ich nur mit loslassen beschäftigt.

 

Mein Los hab ich nicht gewählt.

 

Aber mein Lassen wähle ich

 

Träume loslassen

 

Trauer freilassen

 

Mich unter seinen Segen stellen

 

Tränen zulassen

 

Darauf setzen, dass es reicht.